Ich möchte weniger Alkohol trinken – was kann ich tun?

Der Konsum von Alkohol ist in unserer Kultur weit verbreitet und gehört für viele einfach dazu. Entsprechend häufig wird man mit Alkohol konfrontiert – ob beim Einkaufen, beim Apéro oder beim Familienfest. Dieser Umstand kann es zusätzlich erschweren, seinen Alkoholkonsum einzuschränken.

Wir zeigen Ihnen mögliche Strategien auf, die Ihnen bei der Umsetzung Ihres Vorsatzes helfen können. Hat sich Ihr Alkoholkonsum zu einer Abhängigkeit entwickelt, ist es ratsam, sich auch professionelle Unterstützung zu suchen. Mit bewährten und zielgerichteten psychotherapeutischen Methoden werden Sie bei Ihrem Veränderungswunsch begleitet. Im Rahmen einer Therapie werden aber auch tieferliegende Ursachen wie psychische Begleiterkrankungen oder erlittene Traumata aufgearbeitet. Denn eine Abhängigkeit ist häufig ein Zusammenspiel von verschiedenen Komponenten und Auslösern. Es bestehen auch medikamentöse Unterstützungsmöglichkeiten.

Finden Sie Ihren persönlichen Beweggrund

Um eine nachhaltige Verhaltensänderung zu erreichen, spielt die eigene Motivation eine entscheidende Rolle. Klären Sie deshalb für sich, aus welchem Grund Sie Ihren Alkoholkonsum reduzieren möchten und überlegen Sie, was Sie konkret davon haben, wenn Sie weniger Alkohol trinken. Das kann eine bessere Gesundheit oder höhere Lebensqualität sein, ein finanzieller Anreiz, da weniger Geld für Alkohol ausgegeben wird, oder seltenere Konflikte mit dem Partner/der Partnerin oder der Familie, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Machen Sie eine Bestandesaufnahme Ihres Konsumverhaltens

Verschaffen Sie sich während zwei bis drei Wochen einen guten Überblick dazu, wann Sie trinken und wie viel Sie trinken. Das hilft Ihnen dabei, Ihren Konsum realistisch einzuschätzen und ausgehend davon realistische Ziele setzen zu können. Dazu ist das Führen eines sogenannten Konsumtagebuchs nützlich: Darin tragen Sie jedes alkoholische Getränk, das Sie zu sich nehmen, ein, inklusive Angabe der Menge. Halten Sie auch die Stimmung fest, in der Sie waren, als Sie das Getränk konsumiert haben. Es stehen auch verschiedene kostenlose Apps zur Verfügung, mit denen Sie Ihren Konsum digital erfassen können, z.B. die Arud-Konsumtagebuch-App.

Setzen Sie sich realistische Ziele

Wenn Sie Ihre Konsummuster kennen, können Sie sich Änderungs-Ziele setzen. Fangen Sie dabei lieber „klein“ an – es muss nicht gleich die ganz grosse Veränderung sein! Mögliche Ziele können zum Beispiel sein: Ein oder zwei Tage pro Woche auf Alkohol zu verzichten; ein Glas weniger als üblich zu konsumieren; nur noch abends oder am Wochenende zu konsumieren; auf hochprozentigen Alkohol zu verzichten und stattdessen Wein oder Bier zu konsumieren.

Selbstverständlich kann das Ziel auch in einer kompletten Abstinenz bestehen; vielen Menschen fällt die schrittweise Reduktion des Konsums jedoch leichter. Ganz wichtig: Rückfälle gehören bei einem solchen Prozess dazu – machen Sie sich deswegen also keine Vorwürfe, sondern seien Sie freundlich und unterstützend mit sich; um neue Verhaltensmuster zu lernen, braucht es Zeit.

Es lohnt sich, das Konsumtagebuch weiterhin zu führen, so dass Sie die Veränderungen in Ihrem Konsumverhalten mitverfolgen können. Erfassen Sie dabei auch, was geholfen hat, die Ziele zu erreichen, sowie was dazu geführt hat, dass es nicht gelungen ist. Konnten Sie Ihr angestrebtes Ziel ein paar Wochen halten, können Sie sich ein neues Ziel setzen, z.B. drei alkoholfreie Tage pro Woche einlegen oder die getrunkene Menge weiter reduzieren.

Überlegen Sie, welche Funktion der Alkohol für Sie erfüllt

Machen Sie sich bewusst, zu welchen Gelegenheiten und aus welchem Anlass Sie Alkohol trinken. Trinken Sie primär allein oder zu gesellschaftlichen Anlässen? Hilft Ihnen der Alkohol, um nach stressigen Situationen besser abschalten zu können? Verspüren Sie ein Gefühl der inneren Leere, das Sie mit dem Alkohol zu füllen suchen? Möchten Sie Gedanken und Gefühle, die Sie belasten, weniger präsent haben? Oder mögen Sie das Gefühl, mithilfe des Alkohols ausgelassener und kontaktfreudiger zu sein?

Je nachdem, in welchem Rahmen Sie trinken, erfüllt der Alkohol somit eine andere Funktion: Als Beruhigungsmittel, Brückenbauer, Trostspender. Sich das bewusst zu machen, hilft Ihnen, für den Alkohol einen geeigneten Ersatz zu finden oder eine geeignete alternative Bewältigungsstrategie zu entwickeln.

Entwickeln Sie eigene Strategien für den Alltag

Gewohnheiten sind mächtig und oft schwer zu verändern. Zudem ist der Alkohol in unserer Gesellschaft omnipräsent. Deshalb braucht es gute Strategien, die Ihnen dabei helfen, Ihre gesetzten Ziele im Alltag umzusetzen. Welche Strategien für Sie nützlich sind, finden Sie am besten durch Ausprobieren heraus – es gibt keine Standardlösungen, die für alle passen! Hier ein paar Anregungen für solche Strategien:

  • Den Konsum mittels Konsumtagebuch im Voraus planen: alkoholfreie Tage definieren, Anzahl Standarddrinks an den anderen Tagen festlegen und anschliessend Bilanz ziehen. Ausserdem planen, wo Sie Alkohol trinken und in welchem Zeitraum Sie trinken.
  • Den Umgang mit dem plötzlichen Auftreten des Verlangens nach Alkohol (Craving) üben. Dieses Verlangen besteht in der Regel während 5-10 Minuten und klingt dann wieder ab.
  • Situationen meiden, die starkes Verlangen nach Alkohol auslösen (sog. Trigger-Situationen), z.B. Bars, in denen Sie oft getrunken haben.
  • Nur in Lebensmittelläden einkaufen, wo Alkohol gar nicht verfügbar ist, z.B. in der Migros.
  • Zuhause keinen Alkohol lagern, also Alkohol gar nicht erst nach Hause bringen.
  • Alkohol nie allein trinken.
  • Sich Standard-Sätze zurecht legen, weshalb man zu gesellschaftlichen Anlässen keinen Alkohol trinkt.
  • Den Freundeskreis ins Vertrauen ziehen, damit Ihnen von dieser Seite kein Alkohol angeboten wird.
  • Nach jedem Glas Alkohol ein Glas Wasser trinken.
  • Den Alkohol verdünnen (z.B. mit Gingerbeer, Fruchtsaft, Wasser) und das Verhältnis schrittweise anzupassen, bis das Getränk nach einiger Zeit alkoholfrei ist.
  • Auf alkoholfreie Varianten wechseln, z.B. alkoholfreies Bier oder nicht-alkoholische Drinks.

Etablieren Sie neue Rituale

Wenn das tägliche Glas Wein zum Essen oder das Bier am Feierabend oder das Glas zum Apéro wegfällt, ist es hilfreich, ein neues Ritual für entsprechende Situationen zu entwickeln. Auf diese Art kann mit dem oft in diesen an den Konsum erinnernden Situationen (Trigger-Situationen) oder unter Stress auftretenden Verlangen nach Alkohol besser umgegangen werden: Das Gehirn lernt dann, die gewohnte Handlung (Alkohol trinken) durch eine neue Handlung zu ersetzen.

Auch hierbei sollten Sie für sich herausfinden, welche Ersatzhandlungen für Sie passen. Eine naheliegende Ersatzhandlung ist, ein alkoholisches Getränk durch ein nicht-alkoholisches Getränk zu ersetzen. Für jemand anderes ist es jedoch eine kurze Meditationsübung, ein paar Yoga-Übungen, eine Runde Joggen, Musik hören, einen Apfel oder Nüsse essen oder einen Kaugummi kauen. Entscheidend ist, dass sich das neue Ritual gut in Ihren Alltag einbetten lässt und Ihnen Freude bereitet oder mit einem gewissen Genuss verbunden ist. Was vermieden werden sollte: Den Alkoholkonsum durch den Konsum einer anderen psychoaktive Substanz zu ersetzen, z.B. durch Zigaretten oder Medikamente – dann hätte sich die Abhängigkeit am Ende einfach verlagert.

Autorin: Julia Kind
Fachliche Prüfung: Thilo Beck, Philip Bruggmann
Illustrationen: Benjamin Hermann

Das Poster zum Jahresrückblick 2022



Das Poster zum Jahresrückblick 2022 zeigt mögliche Strategien auf, um seinen Alkoholkonsum zu reduzieren.